Forschungsschwerpunkte im Bereich der Medizintechnik

Kennwertermittlung

Eine detaillierte Kenntnis des biologischen Vorbilds ist Basis für eine bedarfsorientierte Konzeption im Bereich der Implantatentwicklung und wird durch eine biomechanische Charakterisierung und die Erfassung technischer Parameter erlangt . Mithilfe experimenteller Untersuchungen können Computer- und Parametermodelle verifiziert werden. Zur Erfassung biomechanischer Kennwerte können wir auf eine Vielzahl von Prüfmaschinen und Verfahren zurückgreifen. Neben klassischen Zug-, Druck- und Torsionsprüfmaschinen stehen auch optische Prüfverfahren zur Verfügung. Ein 3D-Laservibrometer misst die dynamischen Eigenschaften des Untersuchungsobjektes, womit numerische Modelle verifiziert werden können.

Als Untersuchungsobjekt diente bisher ein humaner Hüftknochen. Mithilfe eines Bewegungsanalysesystems kann außerdem die relative Verschiebung mehrerer Komponenten untereinander untersucht werden. Dies liefert u.a. entscheidende Hinweise zur Wiederherstellung des ursprünglichen Bewegungsumfanges bzw. für die Erstellung von Bewegungsmodellen.

Prüfung und Integration

Die Überführung der entwickelten Komponente in das klinische Umfeld bedingt zunächst den Wirkungsnachweis. Dies kann in einem ersten Schritt in Form einer Demonstratorprüfung erfolgen. Die Prüfung ist eng verknüpft mit der biomechanischen Kennwertermittlung und stellt einen Optimierungskreislauf dar.

Durch experimentelle und numerische Untersuchungen kann eine Feinabstimmung von Zielparametern für die Integration in das klinische Umfeld erfolgen. Dabei ist auch die Anwendbarkeit für den Chirurgen zu beachten. Bei der steigenden Komplexität vorhandener Medizintechnologien ist bspw. die OP-Planung und -Navigation ein hilfreiches Werkzeug für den Chirurgen.

Konzeption, Konstruktion und Simulation

Die Konzeption ist ein entscheidender Schritt im Entwicklungsprozess und sollte ganzheitliche und interdisziplinäre Einflussfaktoren beachten.

Die Konstruktion stellt die Vorstufe zur Fertigung dar. Sie ist, im Gegensatz zur Konzeption, absolut von der späteren Realisierbarkeit und den verfügbaren Technologien abhängig. Die Integration aktiver Materialien ermöglicht die Entwicklung neuer komplexer Systeme mit wiederum neuen Funktionalitäten.

Die Simulation ist entscheidend für eine ziel- und aufwandsoptimierte Umsetzung der entwickelten Konzepte. Die Finite-Elemente-Methode (FEM) für die Simulation von Objekteigenschaften und Prozessen hat sich auch für die Abbildung biomechanischer Vorgänge etabliert. Der Einsatz numerischer Modelle wird zur konstruktiven Optimierung sowohl in der medizinischen Forschung als auch im klinischen Alltag (bspw. bei der OP-Planung) als hilfreich angesehen. Unsere Kompetenzen liegen im Bereich der numerischen Modellbildung und der zugehörigen experimentellen Verifizierung. Darüber hinaus verfügen wir über fundierte Erfahrungen im Bereich der numerischen Untersuchung aktiver Materialien wie Formgedächtnislegierungen und deren Integration in Implantate bzw. Textilien.

Fertigungstechnische Umsetzung

Die technische Umsetzung der entwickelten innovativen Konzepte stellt häufig eine hohe Anforderung an die Fertigung. Sie ist oft ein limitierender Faktor bei den Gestaltungsmöglichkeiten neuartiger Medizintechnologien und -produkte sowie bei der technischen Realisierung. Weiterentwicklungen von konventionellen Fertigungsverfahren und der Einsatz neuartiger Technologien eröffnen jedoch immer neue Möglichkeiten:

  • Mithilfe generativer Fertigungsverfahren werden topologieoptimierte, aber auch patientenspezifische Implantate realisiert.
  • Die Technologieentwicklung für spanende, abtragende und umformende Verfahren in der Präzisions- und Mikrofertigung ermöglicht die Implantatfertigung bis in den Mikrometerbereich.
  • Knochenähnliche Strukturen werden durch zellulare Strukturen zum Beispiel aus Metallschaum oder mithilfe generativer Fertigungsverfahren hergestellt.
  • Durch Massivumformung lassen sich Materialeigenschaften verbessern und der Materialeinsatz reduzieren.

Aktive Materialien

Aktive Werkstoffe wie Formgedächtnismaterialien oder Piezokeramiken bieten in der medizintechnischen Gerätetechnik und der Prothetik vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Sie können als alternative Antriebselemente eingesetzt werden, erlauben aber ebenfalls die Entwicklung neuer, komplexer Systeme mit neuen Funktionalitäten. Je nach Applikation können sie dabei als Sensor fungieren oder aktiv wirken, um z. B. den Kraftkontakt an der Knochen-Implantat-Schnittstelle zu beeinflussen und damit – perspektivisch gesehen – die Lockerung von Implantaten zu verhindern.

Generative Fertigung von Implantaten

Wir nutzen das generative Fertigungsverfahren Strahlschmelzen, um Implantate aus biokompatiblen metallischen Werkstoffen (Titan, Kobalt-Chrom, Edelstahl) mit nahezu beliebig komplizierter Geometrie herzustellen. Dabei können die Implantate im gesamten Volumen oder nur an der Oberfläche mit einer komplexen, ggfs. auch variablen geometrischen Struktur versehen werden, um ihre Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften optimal an den umgebenden Knochen anzupassen und das Einwachsverhalten zu verbessern. Auch die Integration funktionaler Kanäle und Hohlräume in das Implantat ist möglich, wodurch z. B. die postoperative Zuführung von Medikamenten an der Implantat-Knochen-Schnittstelle gewährleistet werden kann. Außerdem können Implantate in ihrer Geometrie an den einzelnen Patienten angepasst werden. Dabei dienen häufig computertomografische Daten des Patienten als Basis für die individuelle, patientenspezifische Konstruktion und Gestaltung des Implantats.

Präzisions- und Mikrofertigung

Wir entwickeln Technologien und Anlagen für die Herstellung miniaturisierter und mikrostrukturierter Bauteile bspw. für Anwendungen in der Medizintechnik und setzen diese in verschiedenen Applikationsstufen um. Forschungsschwerpunkte sind u.a. die spanende und umformtechnische Herstellung von Miniaturprothesen oder die Entwicklung von Fertigungstechnik für medizinische Komponenten und Geräte.

Im Bereich der medizinischen Diagnostik werden mikrofluidische Lab-on-Chip-Sensoren zum Nachweis verschiedenster Blut- oder Urinwerte eingesetzt. Die komplexen Mikrofluidiksysteme verlangen oftmals funktionalisierte Oberflächen zur Fluidsteuerung in den Mikrokanälen. Ziel der fertigungstechnischen Optimierung ist die reproduzierbare prozesssichere Strukturübertragung in einer Prägestufe mit substrukturierten Werkzeugen sowie die Verringerung der Prozesszeiten zur Herstellung der Fluidikkomponenten.

Metallschaum

Der Einsatz metallischer Schäume als Grundwerkstoff für Implantate offeriert vielfältige Vorteile. Beispielsweise bietet die raue Oberfläche optimale Einwachsbedingungen für die Knochenzellen und sowohl der Elastizitätsmodul als auch das Gewicht können durch Variation der Dichte an den Knochen angepasst werden. Die Senkung der Steifigkeit gegenüber soliden Implantaten und damit verbunden die Anpassung des E-Moduls an den des Knochens wirkt aktiv einer Implantatlockerung durch Knochenschwund (Osteoporose) entgegen.

Massivumformung

Die hohen Forderungen vor allem nach Festigkeit und Sicherheit bei dynamisch beanspruchten Teilen werden im Anwendungsbereich der Medizintechnik durch im Gesenk geschmiedete Werkstücke ausgezeichnet und zuverlässig erfüllt. Wie bei nahezu allen Umformverfahren ist auch beim Gesenkformen eine strukturierte, lange Endform nicht in einer Umformstufe herstellbar. Häufig besteht die Anfangsform aus einem Abschnitt mit konstantem Querschnitt. Um den Anteil des Abfalls zu verkleinern, ist eine genaue Verteilung des Volumens der Anfangsform entlang seiner Achse entsprechend der Endform sinnvoll. Das Fertigungsverfahren Querkeilwalzen schafft die Voraussetzung für die Anwendung des gratarmen Gesenkschmiedens durch die wirtschaftliche Herstellung genau dosierter Masseverteilungszwischenformen.

Neben dem Verfahren der Warmmassivumformung werden lasttragende Implantate durch Kaltfließpressen hergestellt. Dieses Verfahren eignet sich vor allem für Kleinimplantate.