Schneidtechnologien

In der Blechverarbeitung spielen Schneidverfahren eine wichtige Rolle, da jedes Bauteil bei seiner Herstellung einem oder mehreren Trennprozessen ausgesetzt ist. Tendenziell werden fügefertige Bauteile angestrebt, die keiner weiteren Nacharbeit bedürfen. Bei der Optimierung des Schneidprozesses sind die Werkzeuggestaltung (Schneidspalt, Geometrie der Schneidkanten) sowie die Wahl der richtigen Werkzeugwerkstoffe (Schnellarbeitsstahl, Kaltarbeitsstahl, pulvermetallurgischer Stahl, Hartmetall, Keramik) und Beschichtungen (Hartstoffschichten, Kohlenstoffschichten) entscheidend für das Schnittergebnis.

Unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten befassen sich mit innovativen Schneidtechnologien wie dem Scherschneiden, dem Scherschneiden mit Spannungsüberlagerung und dem Hochgeschwindigkeitsscherschneiden.

Unsere Forschungsthemen

Scherschneiden

Beim Scherschneiden ist die Standmenge der Aktivteile für eine wirtschaftliche Fertigung von entscheidender Bedeutung. Um diese zu optimieren, ist eine ganzheitliche Betrachtung des Gesamtsystems erforderlich. Hierzu gehören die Berücksichtigung der Materialauswahl, die zur Aktivteilfertigung eingesetzten Herstellungsverfahren, die Beschichtung und letztendlich die Verfahrensparameter beim Scherschneiden. Am IWU können Schneidversuche auf verschiedenen Pressen durchgeführt werden. Für Standmengenuntersuchungen steht ein Bruderer Stanzautomat zur Verfügung. 

Ein weiteres Augenmerk betrifft die Schnittflächenqualität. In Abhängigkeit vom Werkstoff, der Gestaltung der Aktivteile und der Verfahrensparameter (Schneidspalt), ergeben sich unterschiedliche Anteile für Glattschnitt- und Bruchflächenanteile an der Schnittfläche. Sollten höhere Schnittflächenqualitäten erforderlich sein, als sie mittels Scherschneiden erreichbar sind, stehen unter anderem Scherschneidverfahren mit Spannungsüberlagerung oder das Hochgeschwindigkeitsscherschneiden zur Verfügung.

Durch langjährige Aktivitäten im Bereich des Scherschneidens verfügen wir über Kompetenzen in folgenden Bereichen:

  • Werkzeugkonstruktion
  • Beratung zu Werkstoffauswahl, Wärmebehandlung und Beschichtung von Aktivteilen
  • Versuchsdurchführung / Durchführung von Dauerversuchen
  • Verarbeitung von Blechdicken im Bereich von 0,1 mm bis 10 mm
  • Werkstoffe: Aluminium, Titan, Stahl (hochfest)
  • Integration von Messtechnik (Geschwindigkeit, Kraft, Körperschall, Beschleunigung)

Vorteile des Verfahrens

  • Quantifizierung von Standmengen
  • Inline-Zustandsüberwachung der Aktivteile
  • Erfassung und Speicherung von Prozessdaten
  • Verbesserung von Standmengen
  • Erhöhung der Schnittflächenqualität
Scherschneiden mit fluidischem Gegenhalter

Ein innovatives und vom Fraunhofer IWU patentiertes Schneidverfahren ist das Scherschneiden mit fluidischem Gegenhalter. Hierbei ist die Matrize komplett mit Öl befüllt. Nach dem Aufsetzen den Niederhalters wird durch ein Hydraulikaggregat ein Vordruck im Öl erzeugt. Beim Scherschneiden wird das Öl geringfügig komprimiert. Nach dem Beschnitt entspannt sich das Öl und drückt den Butzen zurück in den Streifen. Somit wird der Butzen durch den Streifen abgeführt und in der nächsten Stufe ausgeworfen.

Vorteile des Verfahrens sind, dass das Öl beim Schneiden einen überlagerten Gegendruck in der Schneidzone erzeugt. Weiterhin dringt das Öl in den Bereich der Scherzone ein, sobald erste Risse entstehen. Im Rahmen des Forschungsprojekts  »Scherschneidstrategien für hoch- und höchstfeste Stähle (UHSS); Teilvorhaben: Innovative Ansätze für das Scherschneiden höchstfester Stähle« konnten für hochfeste Stähle (C75, 1400 MPa. 2 mm Blechdicke) sehr gute Schnittflächenqualitäten und ein geringer Verschleiß der Aktivteile erreicht werden. Die Erprobung des Verfahrens für höhere Blechdicken und weitere Werkstoffe soll Bestandteil zukünftiger Forschungsaktivitäten sein. 

Vorteile des Verfahrens

  • hohe Schnittflächenqualität
  • hohe Maßhaltigkeit und geringe Bauteildeformation
  • Reduzierung des Aktivteilverschleißes auch beim Beschnitt höchstfester Materialien 
Genauschneiden

Ein weiteres Verfahren mit Spannungsüberlagerung ist das Genauschneiden. Ähnlich dem Feinschneiden wird ein Gegenhalter eingesetzt, der eine Gegenkraft auf den Butzen aufbringt. Dabei wird keine Ringzacke verwendet. Die Gegenkraft kann z. B. durch eine Gasdruckfeder im Schneidwerkzeug aufgebracht werden. Im Unterschied zum Scherschneiden werden geringe Schneidspalte verwendet und die Schneidkanten werden leicht abgerundet, wodurch sich ein erhöhter Glattschnittanteil ergibt.

Die Verfahren mit Spannungsüberlagerung können eingesetzt werden, um Verschleiß (Adhäsion, Abrasion, Oberflächenzerrüttung) beim Beschnitt von z. B. höchstfesten Stählen, Aluminium oder Titan zu verringern und um die Schnittflächenqualität gegenüber dem Scherschneiden zu verbessern.

Vorteile des Verfahrens

  • hohe Schnittflächenqualität
  • hohe Maßhaltigkeit und geringe Bauteildeformation
  • Reduzierung des Aktivteilverschleißes auch beim Beschnitt höchstfester Materialien
Hochgeschwindigkeitsscherschneiden (HGSS)

Beim Hochgeschwindigkeitsscherschneiden (HGSS) gibt es im Hinblick auf die unterschiedlichen Prozessphasen einige grundlegende Unterschiede zum Normalschneiden. Der Stempel trifft mit hoher Geschwindigkeit auf das Blech auf, und nach der elastischen Verformung wird der Blechwerkstoff im Bereich zwischen den Schneidkanten von Matrize und Stempel sehr schnell plastisch verformt. Beim HGSS ist das vollständige Gleiten des Stempels durch das Stanzgitter in der Regel nicht erforderlich, sodass das Bauteil aufgrund der kinetischen Energie auch dann ausgestoßen werden kann, wenn der Stempel bei ca. 1/3 der Blechdicke gestoppt wird. In Abhängigkeit vom Werkstoff und den Prozessparametern erhöhen sich die lokalen Dehnraten durch die Lokalisierung der plastischen Deformation. Die Lokalisierung wird durch hohe Dehnraten, eine geringe Dehnratensensitivität und eine geringe Wärmeleitfähigkeit begünstigt. Durch die hohe plastische Deformation und die damit einhergehende Umwandlung der Verformungsenergie in Wärme sowie Reibung in Kombination mit niedriger Prozesszeit und geringer Wärmeleitung können hohe Temperaturen in der Lokalisierungszone entstehen. Dies kann zu plastischen Instabilitäten, wie der Bildung eines (adiabatischen) Scherbandes, führen.

Das Verhältnis der Schneidkräfte beim HGSS und beim konventionellen Scherschneiden ist vom Werkstoff abhängig. Auch das Erscheinungsbild der Schnittflächen wird durch die erhöhten Prozessgeschwindigkeiten stark beeinflusst. Es entstehen nur ein geringer Kanteneinzug, nahezu kein Glattschnitt und auch sehr wenig Grat. Die Trennfläche ist beim HGSS somit annähernd vollständig durch die Bruchfläche charakterisiert. Die Bruchfläche wiederum weist im Gegensatz zum Normalschneiden einen Bruchflächenwinkel nahe 90° und eine geringe Rauheit auf. Neben einer hohen Geradheit beim HGSS ermöglicht die Erzeugung von adiabatischen Scherbändern zusätzlich die Möglichkeit die lokalen Mikrostrukturen gezielt so zu beeinflussen, dass außergewöhnliche (Oberflächen-)Eigenschaftskombinationen resultieren. Dies kann die Verwendung von mittels HGSS erzeugten Trennflächen als Funktionsflächen ermöglichen.

HGSS eignet sich für ein großes Spektrum an Werkstoffen. Bei sehr duktilen Werkstoffen reduziert sich im Vergleich zum konventionellen Scherschneiden z. B. deutlich der Einzug. Bei sehr festen oder gehärteten Werkstoffen ermöglicht HGSS durch die hohe lokale Wärme und die damit verbundene lokale thermische Entfestigung einen generellen Beschnitt bei gleichzeitig sehr guten Schnittflächeneigenschaften. Es können Blechdicken von 0,2 - 10 mm am Fraunhofer IWU geschnitten werden.

Vorteile des Verfahrens

  • sehr hohe Qualität der erzeugten Schnittflächen
  • Beschnitt von sehr festen (gehärtet) und duktilen Werkstoffen möglich, mit deutlich verbesserter Schnittflächenqualität und geringer Einhärtetiefe
  • Ausbildung von adiabatischen Scherbändern an der Schneidkante, die zusätzlich positive Eigenschaften besitzen

Referenzprojekt

 

Schneiden mit elektromagnetischem Puls

Das Schneiden mit elektromagnetischem Puls bietet die Möglichkeit, Bauteile berührungslos ohne bewegte Teile zu trennen, wodurch sich viele Probleme des stempelgebundenen Trennens vermeiden lassen. Insbesondere die Belastungen des Stempels und der Stempelverschleiß sind bei konventionellen Verfahren häufig begrenzende Größen.