Schnelle und gradierte Erwärmung von Platinen

Bestimmte Karosseriebauteile müssen besonders robust sein, damit sie bei einem Unfall Leben retten können. Ein solches crash-relevantes Bauteil ist die Pkw-B-Säule, also die Verbindung zwischen Fahrzeugdach und Fahrzeugboden in der Mitte der Fahrgastzelle. Bei einem seitlichen Crash muss sie einen Großteil der Kräfte abfangen, um die Insassen zu schützen. Das Blech, aus dem die B-Säule hergestellt ist, wird deshalb mit speziellen Verfahren gehärtet, z. B. durch Presshärten.

Dabei wird ein Blechrohling auf über 900 Grad Celsius erhitzt und während der Formgebung in einer Presse abgekühlt. So lassen sich bei reduziertem Materialeinsatz hohe Festigkeiten für die Strukturbauteile von Karosserien erreichen. Üblicherweise erhitzt ein Rollenherdofen die Blechplatinen. Mit einer Länge von etwa 40 Metern haben diese aber einen erheblichen Platzbedarf. Gemeinsam mit einem Industriepartner erarbeiteten die Wissenschaftler des Fraunhofer IWU deshalb ein alternatives Konzept: Um die Platine möglichst schnell und zudem an verschiedenen Stellen unterschiedlich stark zu erhitzen, wurde eine neuartige Kontakterwärmungsanlage entwickelt.

Ähnlich dem Bügeleisenprinzip übertragen einander gegenüberliegende Platten die Wärmeenergie gezielt auf bestimmte Bereiche des Blechs. Die Erwärmungsanlage ist zweistufig ausgelegt, dadurch kann der Rohling entweder in mehreren Schritten gleichmäßig oder zonenweise unterschiedlich erwärmt werden. Innerhalb der Stufen ist die Temperierung in je sechs Bereichen möglich, sodass eine Art thermisches Schachbrettmuster realisierbar ist. Durch die gezielte lokale Erwärmung lässt sich bereits im Aufheizprozess Einfluss auf die beim Umformen zu erzielende Festigkeit nehmen, was für das nachfolgende Beschnittverfahren und das Crashverhalten von Vorteil ist. Ein vollautomatisches Handlingsystem ermöglicht zudem minimale Wärmeverluste und transportiert die Platine durch die gesamte Anlage bis zum Werkzeug in der Presse.

Die Kontakterwärmungsanlage ist Teil der intelligenten Presshärtelinie. Mit ihr ließen die IWU-Forscher das geregelte Presshärten im Sinne von Industrie 4.0 anhand seriennaher Bauteile erstmals Realität werden.