Innenhochdruck-Umformung von Rohren und Profilen

Bei der Innenhochdruck-Umformung (IHU) werden Rohre und geschlossene Profile mithilfe eines allseitig wirkenden Innendrucks an eine Werkzeugkavität angelegt und so definiert umgeformt. Die Werkzeuge bestehen zumeist aus einem Ober- und Unterteil mit entsprechender Trennebene. Die Einleitung des Wirkmediums erfolgt hierbei über die axialen Dichtstempel, die das Bauteil mittels Axialdruck zur Umgebung hin abdichten. Je nach Bauteilform und Abdichtkonzept kann zusätzlich über die Dichtstempel Werkstoff in die Umformzone nachgeschoben werden, um so das geometrisch umsetzbare Spektrum zu erweitern. Mithilfe dieses Verfahrens lassen sich einzigartige Bauteilgeometrien erzeugen, die mit anderen Fertigungsverfahren zum Teil nicht oder nur unter erheblichem Aufwand herstellbar sind.

Komplexe IHU-Bauteile werden häufig in mehreren Umformstufen mit zwischengeschalteten Glühprozessen hergestellt. Mehrstufige Prozessketten sind jedoch sehr kostenintensiv und fehleranfällig. Ein möglicher Lösungsansatz zur Verkürzung der Prozessketten besteht in der temperierten Umformung. Je nach eingesetztem Werkstoff können die Umformeigenschaften bei erhöhten Temperaturen deutlich verbessert werden. Als Wirkmedium kommen aufgrund der Umformtemperaturen von bis zu 1100 °C Gase wie z. B. Stickstoff zum Einsatz. Bei der temperierten Innenhochdruck-Umformung spricht man auch vom Hot-Metal-Gas-Forming (HMGF).

Trends

  • Umformung von Mehrkammerprofilen
  • Fertigung sehr kleiner und sehr großer Bauteile
  • Integration verschiedenster Zusatzprozesse (z. B. Lochen, Kragenziehen, Fertigung von Rasterkerben beim Kopfstützenbügel)
  • Realisierung höchstfester Bauteile durch IHU-Presshärten
  • Fertigung von Metall-Kunststoff-Hybridbauteilen durch die  Verfahrenskombinationen IHU-Spritzgießen sowie Tiefziehen, Spritzgießen und Umformen mit der Schmelze
  • isotherme temperierte Umformung von Leichtmetallen (Aluminium, Magnesium und Titan) und thermoplastischen Kunststoffen

Verfahrensvarianten

Integration von Fügeprozessen in den Innenhochdruck-Umformprozess

Die Integration von Fügeprozessen in den Umformprozess bietet neben der Verkürzung der Prozesskette vor allem die Möglichkeit zur Reduzierung von Fertigungstoleranzen, da die Bauteile in einem Werkzeug gefügt werden, welches die Position der Halbzeuge zueinander vorgibt. Etabliert hat sich in der Industrie beispielsweise das auch am Fraunhofer IWU untersuchte Hydroumformen und -fügen von Leichtbau-Nockenwellen. Dabei werden vorgefertigte Nocken auf ein Rohr gefügt, welches hierzu unter Innendruck gesetzt wird. Auch das insbesondere aus dem Bereich der Fertigung von Kunststoff-Metall-Hybridbauteilen bekannte In Mould Assembly (IMA) kann mit der wirkmedienbasierten Umformung kombiniert werden. Verfahrensbeispiele sind das IHU-Spritzgießen und die Kombination aus Tiefziehen, Spritzgießen und Umformen mit der Schmelze. Beim Hydrofügen bzw. den Verfahrenskombinationen aus Umformen und Spritzgießen basiert die Verbindung meist auf einem globalen Formschluss. Das heißt, dass ein Bauteil das andere umfasst. Wenn dies nicht möglich ist, kommen die Verfahren Hydroclinchen und Hydrostanznieten als punktuelle, in den IHU-Prozess integrierbare Fügeverfahren zum Einsatz.

Verfahrensvorteile

  • verkürzte Prozessketten
  • Gewährleistung geringer Fertigungstoleranzen
  • Kombination von Urformen, Umformen und Fügen in einem Werkzeug / Prozess möglich
Verfahrenskombination Innenhochdruck-Umformung und Presshärten

Der Trend, höchstfeste Werkstoffe in innovativen Karosseriekonzepten einzusetzen, ist ungebrochen. Allein durch den Einsatz von höchstfesten Karosseriebauteilen können bei einem Mittelklassefahrzeug bis zu 20 Kilogramm Masse eingespart werden. Dies senkt nicht nur den Bedarf an Stahl in der Fahrzeugherstellung, sondern reduziert in der Nutzungsphase auch den Kraftstoffverbrauch sowie die CO2-Emissionen. 

Das Verfahren Presshärten 

Ein Erfolgsbeispiel für die Herstellung von höchstfesten Karosseriebauteilen ist das Blechwarmumformverfahren Presshärten. Dieses Verfahren wurde am Fraunhofer IWU auf die Verarbeitung von geschlossenen Profilen mittels Innenhochdruck-Umformung (IHU) übertragen. Bei diesem als IHU-Presshärten bzw. Hot Metals Gas Forming with Press Hardening (HMGF-PH) bezeichneten Verfahren werden in einem Prozessschritt – dem sogenannten Press- oder Formhärten – sowohl die Formgebung als auch die Wärmebehandlung des Bauteils kombiniert. Das Verfahren ist dadurch charakterisiert, dass die über Austenitisierungstemperatur erwärmten geschlossenen Profile in ein gekühltes Umformwerkzeug eingebracht und anschließend abgeschreckt werden. Diese in die Umformung integrierte Wärmebehandlung erzeugt ein martensitisches Gefüge, so dass die pressgehärteten Bauteile sehr hohe Zugfestigkeiten von bis zu 1800 MPa aufweisen. Derartige Bauteile können als crashrelevante Strukturbauteile wie zum Beispiel A- und B-Säulenverstärkung, Dachrahmen, Stoßfänger oder Schweller sowie auch im Antriebsstrang, beispielsweise als Nockenwellen, eingesetzt werden. 

Verfahrensvorteile

  • Herstellung höchstfester rohrbasierter Bauteile mit komplexen Geometrien
  • Kombination von Struktur- und Materialleichtbau
Verfahrenskombination Innenhochdruck-Umformung und Spritzgießen

Für die Herstellung rohrbasierter Hybridbauteile wird bereits seit einiger Zeit eine Verfahrenskombination aus Innenhochdruck-Umformung (IHU) und Spritzgießen verwendet. Die Forschungsschwerpunkte des Fraunhofer IWU liegen hier in der Weiterentwicklung des Verfahrens sowie in der Ermittlung und Überwindung technischer Grenzen.

Eine erste Weiterentwicklung bestand darin, das flüssige Wirkmedium durch ein gasförmiges Wirkmedium, in diesem Fall Stickstoff, zu ersetzen. Durch den Entfall des flüssigen Mediums verbessert sich die Robustheit des Prozesses, da der Kunststoff empfindlich auf Feuchtigkeit reagiert. In der Industrie wird die Verbundhaftung zwischen dem Metallrohr und der Kunststoffkomponente bisher hauptsächlich durch chemische Haftvermittler realisiert. Ziel verschiedener Arbeiten am Fraunhofer IWU ist der Ersatz dieser Haftvermittler durch eine gezielte Oberflächenstrukturierung der Rohre sowie einen Formschluss zwischen IHU- und Spritzgusskomponente. Des weiteren erfolgten und erfolgen Weiterentwicklungen des Verfahrens bzgl. des Einsatzes von thermoplastischen faserverstärkten Kunststoffrohren. Hierbei ist insbesondere die Prozessführung von IHU- und Spritzgussprozess von besonderer Bedeutung.

Parallel erfolgten mit der Entwicklung der Verfahrenskombination Tiefziehen und Spritzgießen die Übertragung der Verfahrenskombination aus Urformen, Umformen und Fügen in einem Prozess auf ein weiteres innovatives Verfahren.

Verfahrensvorteile

  • Herstellung von Metall-Kunststoff-Hybridbauteilen mit komplexen Geometrien
  • Kombination von Struktur- und Materialleichtbau
  • Verwendung von Metall- und thermoplastischen Kunststoffrohren möglich
Temperierte wirkmedienbasierte Umformung

Leichtmetalle wie Titan, Aluminium oder Magnesium bieten insbesondere für den Bereich Mobilität / Fahrzeugbau aufgrund ihrer guten gewichtsbezogenen mechanischen Eigenschaften ein großes Anwendungspotenzial. Demgegenüber stehen vergleichsweise eingeschränkte Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Herstellung von Umformbauteilen. Wegen des relativ geringen Umformvermögens dieser Werkstoffe bei Raumtemperatur sind zur Fertigung komplexer Bauteile häufig Prozessketten mit mehreren Umformschritten und zwischengeschalteten Wärmebehandlungen erforderlich. Eine Alternative ist die superplastische Umformung, die jedoch aufgrund langer Taktzeiten, des hohen Energieverbrauches und der Notwendigkeit zur Verwendung von Schutzgas ebenfalls sehr kostenintensiv ist.

Eine Möglichkeit zur Verbesserung des Umformverhaltens vieler Werkstoffe ist die Erhöhung der Umformtemperatur. Wir entwickeln temperaturgestützte Prozessrouten für Rohr- und Blechbauteile, die die Umformbarkeit in Abhängigkeit der Bauteilgeometrie verbessern oder gezielt Werkstoffzustände einstellen, die zu optimierten Bauteileigenschaften führen. Mit den entwickelten Prozesstechnologien wird die Industrie befähigt, leistungsfähige Werkstoffe in den Breiteneinsatz zu bringen. Gesellschaftlich relevant sind dabei sämtliche Mobilitätssektoren: Automobil, Luft- und Raumfahrt sowie Mikromobilität. 

Die Entwicklung temperaturgestützter Umformverfahren kann bei uns über die gesamte Prozesskette abgebildet werden. Auf Basis von prozessnaher Kennwertermittlung kann über die numerische Abbildung von komplexen thermomechanischen Umformprozessen bereits eine sehr hohe Vorhersagegenauigkeit erreicht werden, was eine erhebliche Verkürzung der Prozesskettenentwicklung ermöglicht. Es können sowohl teil- als auch vollautomatisierte Versuchsstände mit unterschiedlichsten Umformpressen und weiteren Anlagen kombiniert werden. Für die Bauteilerwärmung werden neben Öfen und Induktionsanlagen auch unterschiedliche Kontakterwärmungswerkzeugen und -anlagen genutzt, mit denen Aufheizprozesse im Pressentakt möglich sind. Auch werkzeugintegrierte konduktive Erwärmungsprozesse wurden bereits erfolgreich umgesetzt. Die Werkzeugtemperierung kann mittels elektrischer Heizelemente, Öl- und Wassertemoeriergeräten erfolgen. Prototypen- und Vorserienfertigung werden durch umfangreiche Analyseverfahren begleitet, um sowohl während des Prozesses als auch nach dem Prozess Bauteile optisch, mechanisch oder mikrostrukturell zu charakterisieren. 

Verfahrensvorteile

  • Verbesserung des Umformvermögens
  • Verkürzte Prozessketten
  • Umformung von bei Raumtemperatur nur eingeschränkt umformbaren Werkstoffen (Leichtmetalle, ferritische Edelstähle, thermoplastische Kunststoffe, etc.)

Referenzprojekte

 

Prozessrouten für das IHU von hochfestem Aluminium

Aufgrund ihres hervorragenden Leichtbaupotenzials sind Blechbauteile aus hochfesten Aluminiumlegierungen der 6xxxer und 7xxxer Serie im  Fahrzeugbaubereich bereits etabliert. Die Übertragung der temperaturgestützten Prozessrouten auf das Innenhochdruck-Umformen (IHU) von Profilhalbzeugen ist ein Forschungsschwerpunkt am Fraunhofer IWU.

 

Temperierte IHU von Titan Grade 2

Leichtmetalle wie Titan, Aluminium oder Magnesium bieten für den Fahrzeugbau aufgrund ihrer guten gewichtsbezogenen mechanischen Eigenschaften ein großes Anwendungspotenzial. Demgegenüber stehen aber vergleichsweise eingeschränkte Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Herstellung von Umformbauteilen. Im Projekt wurde ein wirtschaftlicher, temperierter IHU-Prozess mit gasförmigem Wirkmedium für Bauteile aus Titan Grade 2 entwickelt und das Potenzial anhand eines T-Stückes aufgezeigt.

Weitere Referenzprojekte

aus dem Bereich Innenhochdruck-Umformung