SmartFrame+ – Sicherheit für Leichtbaufortbewegungsmittel

Sowohl motor- als auch muskelbetriebene Mobilität erfordert Fortbewegungsmittel, die leicht und effizient sind, aber dennoch eine hohe Sicherheit gewährleisten. Im Projekt »SmartFrame+« hatte ein smart³-Forschungsverbund bestehend aus je einem mittelständischen Unternehmen für Sportgeräte, Fahrsimulation, Signalverarbeitung und Spritzguss sowie zwei Fraunhofer-Instituten und einer Kunsthochschule die Vision, diesen Zielkonflikt aufzulösen.

 

Fahrzeuge der Zukunft sollen ihren eigenen Zustand kennen und vor Gefahren warnen

 

Unfälle infolge von Strukturüberlastungen sollen vermieden werden, indem Sensoren in allen Bauteilen beispielsweise verdeckte Schäden im Rahmen oder in anderen Strukturelementen, aber auch streckenbedingte Gefahren erkennen und den Fahrer oder die Fahrerin rechtzeitig davor warnen. Für das Konsortium stand fest: Das enorme Leichtbaupotenzial, das heute z. B. durch den Einsatz von Faserverbundwerkstoffen ausgenutzt werden könnte, ließe sich voll erschließen, wenn intelligente Materialien integriert werden würden, die die Sicherheit der leichten Strukturen überwachen. Um auf die Potenziale von sogenannten Funktionswerkstoffen oder auch smart materials aufmerksam machen zu können, sollten Anwendungen beispielhaft konzipiert und Testgeräte bzw. Demonstratoren entworfen werden. Das interdisziplinäre Team entschied sich, seine Vision des sicheren und funktionalisierten leichten Fortbewegungsmittels an je einem Beispiel aus dem Freizeit- und Spitzensportbereich zu demonstrieren.

Für den Freizeitbereich eignet sich das Fahrrad in besonderem Maße als Demonstrationsobjekt, da jeder Mensch einen Bezug dazu hat und neue Angebote einzuordnen und zu bewerten weiß. Der Ansatz des Konsortiums: Das System wird nicht dafür ausgelegt, einen Crash zu überstehen, sondern dafür, den Crash zu vermeiden, indem zu erwartende Grenzbelastungen signalisiert werden. Das innovative Fahrradkonzept beruht auf einem sehr leichten Fahrradrahmen aus Faserverbundwerkstoff, der mit piezokeramischen Sensoren versehen ist. Mit diesen werden bruchgefährdende Belastungen des Rahmens detektiert. Aktoren, die in die Lenkergriffe eingesetzt sind, übertragen Vibrationssignale auf die Hände des Radfahrers und sollen so deren Fahrweise sicherheitsrelevant beeinflussen. Darüber hinaus lässt sich mit den Griffaktoren auch eine Navigationsfunktion realisieren. Die im Rahmen verbauten Piezoaktoren regen im Fall eines Fahrraddiebstahls das System so zum Schwingen an, dass ein Warnton erzeugt wird, der die Aufmerksamkeit auf den Diebstahl lenkt. Die Prinzipdarstellung veranschaulicht das Zusammenwirken der einzelnen Systembestandteile.

Ziel des Projekts war es, den durch die Kombination von Struktur- und Funktionsmaterial gesteigerten Gebrauchswert des Produkts zu popularisieren und in das Blickfeld der Marktakteure zu rücken. Zu diesem Zweck wurde ein entsprechender Demonstrator bestehend aus dem sensorierten Leichtbaurahmen, einem Lenker mit Aktivelementen, einem Bildschirm sowie einem Shaker anstelle eines Sattels aufgebaut. Zur Simulation der Fortbewegung wird auf eine Videoanimation und das Lastenkollektiv des Untergrunds einer ausgewählten Fahrstrecke (hier: Rennsteig) zurückgegriffen. Dieses wird via Bildschirm und Shaker simulativ ausgegeben. Videomaterial und Shakerprofil stehen in direkter zeitlicher Abhängigkeit zueinander. Erkennt das System aus der Gesamtdatenlage (Sensor, Geodaten, Geschwindigkeit) kritische Situationen, erfolgt eine Warnung über die in den Griffen untergebrachten Piezo-Schwinger. Die radelnde Person ist dann aufgefordert, ihre Fahrt anzupassen. Die ergonomisch optimierten Griffe wurden im Spritzgussverfahren aus elastischem Kunststoff hergestellt. Durch eine entsprechende konstruktive Gestaltung werden die Vibrationen in den Handflächen und auf den Daumenballen spürbar. Bewegt der Nutzer den Fahrradgriff aus den als sicher definierten Bereich heraus, ertönt die Alarmanlage des Systems. Eine einseitige Vibration bedeutet Abbiegen, beidseitige Vibrationsmuster fordern auf, die Geschwindigkeit dem Fahrweg anzupassen. Sechs Impulsfolgen müssen hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Bedeutung taktil erkannt werden und zu eindeutigen Reaktionen der steuernden Person führen. Testpersonen konnten dies im Rahmen einer Akzeptanzanalyse erproben und bewerten. Zur Popularisierung des Konzepts steht der Demonstrator auf Ausstellungen, Messen oder Workshops. Besucher können SmartFrame+ bei einer virtuellen Downhillfahrt ausprobieren und die Effekte einer neuen Generation der Mobilität am eigenen Körper erfahren. Das zugrundeliegende Konzept lässt sich auch auf andere Anwendungen übertragen, so z. B. auf Fortbewegungsmittel für ältere oder körperlich eingeschränkte Personen – beispielsweise Rollatoren oder Rollstühle.

Mit dem durch mehrere Olympiasiege und Weltmeistertitel im Wintersport bekannt gewordenen Projektpartner Germina fiel die Wahl des Demonstrationsbeispiels aus dem Spitzensportbereich auf den Skiroller – der Sommervariante des Langlaufskis im Winter. Skiroller werden meist aus einem einfachen, geraden Aluminiumkastenprofil hergestellt. Nicht nur das Skigefühl geht aufgrund der Steifigkeit fast gänzlich verloren, auch die Designfreiheit ist stark eingeschränkt. Sensoren zur Auswertung des Trainings sind oft nur oberflächlich applizierbar und werden dadurch stark beansprucht.

Im Projekt »SmartFrame+« wurde mittels computergestützter Simulationen zunächst ein belastungsgerechter, hybrider Aufbau aus Glas- und Kohlenstofffaserrovings sowie weiteren Faserhalbzeugen berechnet, der bei minimierter Masse sowohl die Aufnahme aller Kräfte gewährleistet als auch einen Federeffekt zulässt. Innovativer Kern des neuen Skirollers ist ein mittels Pultrusionstechnik integrierter Piezosensor. Dieser misst während des Trainings alle auftretenden Belastungen und überträgt zukünftig alle Informationen kabellos an eine App. Trainingswissenschaftliche Informationen wie Abdruckkraft, -position oder -länge können so herausgefiltert und als Feedback dem Nutzer zur Verfügung gestellt werden. Dieser kann bei technischen Fehlern sein Training entsprechend anpassen. Darüber hinaus können auch komplette Trainingsprofile erstellt, aufgezeichnet und nachträglich analysiert werden. Derzeit existiert ein Prototyp; die Mess- und Analysetechnik sowie eine intelligente Bremstechnik sollen im nächsten Schritt ausgebaut und weiterentwickelt werden.

Einblicke in das Projekt