Kreislaufgerechter Open-Source-Baukasten für elektrisch angetriebene Poolfahrzeuge

BMBF-Fördermaßnahme »Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft - Innovative Produktkreisläufe«

Mit einem kreislaufgerechten Open-Source-Baukasten können die einzelnen Komponenten über mehrere Fahrzeuglebenszyklen hinweg verwendet werden
© Edag Group
Mit einem kreislaufgerechten Open-Source-Baukasten können die einzelnen Komponenten über mehrere Fahrzeuglebenszyklen hinweg verwendet werden

Die Produktion eines Automobils ist entlang der internationalen Wertschöpfungskette äußerst energie- und ressourcenintensiv. Gerade das Carsharing ist ein wachsender und hartumkämpfter Markt. Die hier eingesetzten Fahrzeuge sind hinsichtlich ihres wenig robusten Aufbaus, des leicht verschmutzenden Interieurs und der hohen Reinigungs- und Reparaturkosten nicht für den langfristigen Gebrauch im Carharing ausgelegt und werden oft nach weniger als 15 Jahren verschrottet oder exportiert. Mit einer höheren Laufleistung der Fahrzeuge könnte der kontinuierliche Energiebedarf in der Produktion deutlich gesenkt und der Abbau an Bodenschätzen signifikant reduziert werden. Hier setzt das Forschungsprojekt »KOSEL« an: Fahrzeugkomponenten, die über eine lange Lebensdauer verfügen, können über mehrere Fahrzeuglebenszyklen hinweg verwendet werden und müssen somit nicht neu produziert werden. Dafür hat das Projektteam einen kreislaufgerechten Open-Source-Baukasten entwickelt, der besonders langlebige und wiederverwendbare Module enthält.

Im Projekt KOSEL hat das Projektteam das Grundkonzept für ein leichtes E-Nutzfahrzeug mit 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht erstellt, dessen Bestandteile gänzlich modular aufgebaut sind. Die drei Hauptmodule Vorderwagen, Batteriekasten und Hinterwagen sind über feste Schnittstellen miteinander verbunden, sodass ein Austausch mit sehr geringem Aufwand möglich ist. Mit dem kreislaufgerechten Baukasten können einzelne Komponenten oder komplette Fahrzeugbestandteile ausgetauscht werden. Dadurch erfährt der Großteil des Fahrzeugs eine längere Nutzungsphase. Die Kosten für Reparaturen sinken und ein längerer wirtschaftlicher Betrieb wird ermöglicht. Die E-Fahrzeug-Plattform ist für Einsatzzeiten von bis zu 30 Jahren und Laufleistungen von bis zu einer Million Kilometern bei wechselnden Einsatzszenarien konstruiert und prototypisch umgesetzt.

Langlebige Module aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen

Das Materialkonzept sieht vor, schwerpunktmäßig in den hochbelasteten und zur mehrmaligen Wiederverwendung vorgesehenen Bereichen langlebige Werkstoffe zu verwenden. Hierzu sind kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) am besten geeignet. Diese weisen zwar einen vergleichsweise hohen CO2-Fußabdruck in der Herstellung auf, den sie aber bei richtigem Einsatz über die geringe Masse und nicht zuletzt die hohe Dauerfestigkeit bei langer Nutzung ausgleichen. CFK ist die bessere Alternative, wenn diese nicht sichtbaren Baugruppen wie im vorliegenden Konzept über mehr als einen Lebenszyklus genutzt werden. Aufgrund der langfristigen Nutzbarkeit wurde kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff vor allem im Bereich der Schweller vorgesehen. Hier werden die aus CFK-Röhren bestehenden Absorber in unterschiedlichen Winkeln angeordnet, um verschiedene Aufprallwinkel abzusichern. Die Absorber sind in topfartigen Aufnahmen befestigt, die so modular angeordnet sind, dass ein Austausch möglich ist.

Sicherheit durch neuartigen Crashabsorber

Ein wesentliches Kriterium für alle Fahrzeuge ist die Sicherheit der Insassen. Aus diesem Grund werden zahlreiche Crash-Szenarien simuliert, getestet und analysiert, um aus den gewonnenen Daten geeignete Sicherheitsmaßnahmen abzuleiten. Im realen Betrieb treten diese für die Insassen kritischen Ereignisse glücklicherweise nur sehr selten auf. Daher eignen sich Crash-Absorber ganz besonders für die Wiederverwendung.

Anhand von Vorstudien wurde am Fraunhofer IWU das Konzept eines neuartigen Schwellers entwickelt, der für den Schrägaufprall geeignet ist. Dieser basiert auf einem bestimmten Crash-Wirkprinzip: der Umstülpung von CFK-Crash-Rohren, deren speziellen Orientierung innerhalb des Schwellers und der Krafteinleitung über auxetische Strukturen. Die auxetische Struktur hat die ungewöhnliche Eigenschaft, sich bei einer Stauchung quer zur Stauchrichtung zusammenzuziehen. Im Crash-Fall wirken die einzelnen Elemente zusammen. Der Schweller nimmt die Last auf und leitet sie in eine auxetische Struktur aus Polyurethan weiter. Diese erzeugt bei Kompression eine Stauchung orthogonal, also quer zur Belastungsrichtung, sodass die Kraft allmählich in die Crash-Rohre eingeleitet und die gewünschte Abbremsung des Fahrzeugs über ein kontrolliertes Versagen des Verbundwerkstoffs erzielt wird. Dabei werden möglichst viele kleine Faserbrüche angestrebt, die jeweils eine hohe Energie erfordern, was schlussendlich die Abbremsung des Fahrzeugs bewirkt. Die intakten CFK-Crash-Rohre können auch nach einem Unfall oder Betriebsende in neuen Fahrzeugmodellen oder -generationen wiederverwendet werden – entweder 1:1 oder aber nach Zurechtschneiden an anderer Stelle, etwa im Heckbereich. Außerdem kann mit diesen Faserverbundrohren gewichtsbezogen bis zu viermal mehr Energie absorbiert werden als mit Aluminium. Das heißt umgekehrt, dass der Crash-Absorber bei gleicher Energieabsorption etwa viermal leichter ist.

Umweltfreundliches Konzept für die Zukunft

Das kreislaufgerechte KOSEL-Mobilitätskonzept ist für Flottenfahrzeuge mit mittlerer Stückzahl vorgesehen. Voraussetzung dafür ist der Aufbau einer zirkulären Wertschöpfungskette, die Einzelbauteile nach dem ersten Lebenszyklus prüfen und falls erforderlich überarbeiten kann. Das Konzept soll Modellcharakter haben und weitere ähnliche Entwicklungen in der Mobilitätsbranche anstoßen. Vor allem mit einer ausgearbeiteten, kreislauffähigen E-Fahrzeugplattform als Standardlösung lassen sich Entwicklungskosten und -risiken senken. Über die Open-Source-Schnittstellen wird es zudem für Zulieferer attraktiv, passende Standardkomponenten bereitzustellen.

Einblick in das Projekt

Package des vielseitig einsetzbaren Transportfahrzeugs
Package des vielseitig einsetzbaren Transportfahrzeugs
Der Schweller aus Crash-Absorbern in Form von Faser-Kunststoff-Verbund (FKV)-Röhren und einem Pufferelement als auxetische Struktur aus Polyurethan bietet sowohl Schutz für die Fahrzeuginsassen als auch für den Energieträger – Batterie oder Wasserstofftank.
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Der Schweller aus Crash-Absorbern in Form von Faser-Kunststoff-Verbund (FKV)-Röhren und einem Pufferelement als auxetische Struktur aus Polyurethan bietet sowohl Schutz für die Fahrzeuginsassen als auch für den Energieträger – Batterie oder Wasserstofftank.

Eckdaten zum Projekt

Laufzeit 
01.07.2019- 30.06.2022

Förderkennzeichen 
033R242

Projektpartner
BSMRG GmbH, EDAG Engineering GmbH, Fraunhofer IWU, Hochschule Emden/Leer, INVENT GmbH, Röchling Engineering Plastics SE & Co. KG, Technische Universität Dresden

Assoziierter Partner
Mitsubishi Chemical Carbon Fiber and Composites GmbH