Standorterweiterung in der Oberlausitz

Mehr Platz für innovative Kunststoff- und Leichtbautechnologien: das Fraunhofer IWU verdreifacht die Gesamtfläche seines Forschungszentrums in Zittau

Gemeinsam mit den Unternehmen der Region hat das Kunststoffzentrum Oberlausitz, der Zittauer Institutsteil des Fraunhofer IWU, seit seiner Eröffnung 2016 zahlreiche anwendungsreife Technologie- und Produktinnovationen in den Be-reichen Kunststoffverarbeitung, additive Fertigung, Leichtbau, Biocomposites und Wasserstofftechnologien geschaffen. Den steigenden Bedarf an Forschungsleistungen in diesen Bereichen beantwortet das Fraunhofer IWU mit der Erweiterung seines Forschungszentrums in Zittau auf eine Gesamtfläche von ca. 2.000 m². Zum hochmodernen Maschinenpark zählen nun innovative Anlagen zur additiven Fertigung großer Metall- und Kunststoffbauteile etwa für die Luft-fahrt, den Energieanlagenbau oder das Bauwesen, aber auch Maschinen zur wirtschaftlichen Herstellung naturfaserverstärkter Leichtbaustrukturen - beispielsweise für Verkleidungsteile in PKW und Schienenfahrzeugen. Im Beisein von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, hat das Fraunhofer IWU heute in Zittau Erweiterungsbau und neues Technikum feierlich in Betrieb genommen.

© Fraunhofer / Max Niemann
Prof. Sebastian Scholz, Leiter des Fraunhofer-Kunststoffzentrum Oberlausitz, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, Bert Handschick, Vorstandsvorsitzender des Allgemeinen Unternehmerverbands Zittau und Umgebung, Dr. Stefan Meyer, Landrat des Landkreises Görlitz, Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Prof. Alexander Kratzsch, Rektor der Hochschule Zittau/Görlitz und Prof. Welf-Guntram Drossel, Geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IWU, durschneiden symbolisch das Band zur Erweiterung des Forschungszentrums in Zittau.
© Fraunhofer IWU
Das Forschungszentrum Zittau nach der Erweiterung

Das Kunststoffzentrum Oberlausitz als Institutsteil des Fraunhofer IWU besteht seit 2016, zuvor arbeiteten ab 2011 Forscherinnen und Forscher des Instituts bereits in einer kleinen Projektgruppe in Zittau an Kunststoff- und Leichtbautechnologien. Seither kooperieren die Wissenschaftler im Dreiländereck erfolgreich mit den vorwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen der Oberlausitz, aber auch mit Großunternehmen im gesamten Bundesgebiet.

»Die Erweiterung des Fraunhofer-Kunststoffzentrums in Zittau ist ein großer Gewinn für das gesamte Dreiländereck. Gemeinsam mit Betrieben und Hochschulen aus der Region entstehen hier zukunftsträchtige Spitzentechnologien für die Kunststoffverarbeitung und den Leichtbau. Wissenschaft und Produktion greifen so ineinander, was die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft vor Ort stärkt und Arbeitsplätze schafft. Forschung und Innovationen sind der Schlüssel, um den Strukturwandel in der Oberlausitz weiter erfolgreich voranzutreiben. Die engen Partnerschaften und der Ausbau des Kunststoffzentrums sind das beste Beispiel dafür«, betont Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer.

Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, ergänzt: »Ich bin überzeugt, dass sich die Lausitz zu einem nachhaltigen Forschungs- und Innovationsstandort entwickeln wird. Das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen bietet hier einen guten Rahmen für eine Vielzahl innovativer und interdisziplinärer Vorhaben mit kurz- bis langfristigen Wirtschafts- und Arbeitsmarkteffekten. Der Erweiterungsbau des Fraunhofer-Kunststoffzentrums Oberlausitz ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie die Fraunhofer-Gesellschaft den Strukturwandel in der Lausitz aktiv vorantreibt und Industrie und Mittelstand bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zur Seite steht. Insbesondere bei der Stärkung der Innovationsfähigkeit von KMU und der praxisnahen Erprobung neuartiger Produktionstechnologien nimmt das Fraunhofer-Kunststoffzentrum Oberlausitz inzwischen eine wichtige Rolle im regionalen Strukturwandel-Prozess ein.«

In Folge der zunehmenden Digitalisierung sowie der Umstrukturierungen im Zuge einer nachhaltigen Wertschöpfung und der damit verbundenen ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Transformation, stehen zahlreiche Regionen wie auch das Lausitzer Revier vor großen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen. Die Fraunhofer-Gesellschaft unterstützt den innovationsgetriebenen Strukturwandel aktiv durch Vernetzung und den strukturierten Aufbau neuer Wertschöpfungsketten. Ziel ist es, die vom Strukturwandel betroffenen Regionen durch innovationsfördernde Maßnahmen auf einen dynamischen Wachstumspfad zu heben und damit zur Verringerung regionaler Disparitäten beizutragen.

Der sich in der Lausitz dynamisch entwickelnde Branchenschwerpunkt mit Kunststoffprodukten findet im Zittauer Technikum des Fraunhofer IWU einen idealen Forschungs- und Entwicklungspartner. »Mit der Erweiterung unseres Forschungszentrums in Zittau bleiben wir Vorreiter und Impulsgeber auf dem Gebiet der Kunststoff- und Leichtbautechnik im Dreiländereck. Wir werden auch künftig den Transfer von Forschungsergebnissen in innovative Anwendungen und Produkte eng begleiten. Genau hier sehen wir unseren Beitrag für einen erfolgreichen Strukturwandel in der Oberlausitz«, unterstreicht Prof. Welf-Guntram Drossel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IWU.

Prof. Sebastian Scholz, Leiter des nunmehr deutlich vergrößerten Forschungszentrums, freut sich: »Mit der Erweiterung können wir nun 44 statt bisher 20 Wissenschaftlern attraktive Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Damit haben wir auch buchstäblich erweiterte Möglichkeiten in der angewandten Forschung für und mit Unternehmen, aber auch in der Grundlagenforschung und in der praktischen Ausbildung der Studierenden der benachbarten Hochschule Zittau/Görlitz. Mit den neuen Anlagen insbesondere in der additiven Fertigung und zur Verarbeitung nachhaltiger Leichtbaustrukturen bietet das Kunststoffzentrum eine hervorragende Technologiebasis zur Erforschung wirtschaftlicher und nachhaltiger Fertigungsprozesse und Bauteile.«.

 

Partnerschaft mit der Hochschule Zittau/Görlitz auf neuem Niveau

 

Zwischen dem Fraunhofer Kunststoffzentrum Oberlausitz und der Hochschule Zittau/Görlitz hat sich in den vergangenen Jahren eine starke Partnerschaft entwickelt. Das Fraunhofer IWU ist über den Lehrstuhl Funktionsintegrierende Kunststofftechnologien von Prof. Scholz auch personell mit der Hochschule verlinkt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Fraunhofer und Lehrstuhl arbeiten im selben Gebäude und kooperieren in gemeinsamen FuE-Projekten. Die Zusammenarbeit und gegenseitige Nutzung von Infrastruktur sind über einen Kooperationsvertrag geregelt. Ein Beispiel: zwei neue große Kunststoffverarbeitungsmaschinen der Hochschule finden in der neuen Forschungshalle des IWU Platz und können so von beiden Partnern genutzt werden.

Die neue hydraulische Heißpresse mit verfahrbarem Tisch und 2.000 Tonnen Presskraft dient zur Herstellung von Faserverbundbauteilen, zum Beispiel mit Naturfasern oder biobasierten Carbonfasern. Gemeinsam mit Kunden können die Forscher nun reale Bauteile herstellen und diese mit Blick auf eine spätere Serienfertigung beurteilen, statt auf Versuchsteile im Labormaßstab beschränkt zu sein.

Den Maschinenpark ergänzt auch das auf einer CNC gesteuerten Portalfräsanlage aufbauende, neue Hybrid-Bearbeitungszentrum. Dieses Bearbeitungszentrum erlaubt sowohl die additive Bauteilfertigung auf Basis eines mit Standard-Kunststoffgranulat arbeitenden Extruders, als auch eine (subtraktive) Fräsbearbeitung. Beide Verfahren werden automatisiert miteinander kombiniert. Die Portalanlage kann Bauteile mit bis zu 60 m³ Größe drucken und nachgelagert bearbeiten. Dieses neue 3D-Druck-Fräszentrum erlaubt durch seine Dimensionierung beispielsweise die Herstellung großvolumiger Formwerkzeuge, aber auch Architekturelemente wie individuelle Fassaden, Möbel etc.

Neu für den Standort sind zudem die metallischen 3D-Druck Verfahren, an denen das Technikum künftig in enger Abstimmung mit dem Fraunhofer IWU-Standort Dresden forscht. Den Forschenden in Zittau steht nun insbesondere eines der aktuell größten und leistungsfähigsten Drucksysteme zur Verfügung. Das Ziel: große, industrierelevante Bauteile und Werkzeuge erforschen zu können.

Dank des erweiterten Maschinenparks kann das Kunststoffzentrum nicht zuletzt seine Forschungen an industriellen Prozessen zur Herstellung komplexer Leichtbauteile aus faserverstärkten Kunststoffen beispielsweise mit Rezyklatanteilen, Naturfasern und anderweitigen biogenen Füllstoffen intensivieren. Ein wichtiger Inkubator für die Erforschung wirtschaftlicher Herstellungsverfahren für naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK) am Standort Zittau ist das mit ca. 12 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Industrie finanzierte Großforschungsprojekt LANDER³ (Lausitzer Naturfaserverbundwerkstoffe Dezentrale Energie, Rohstoffe, Ressourcen, Recycling) der Hochschule Zittau/Görlitz.

Noch mehr Schlagkraft für internationale Kooperationen in Leistungszentren

Mit den neuen technischen Möglichkeiten in seinem Zittauer Forschungszentrum stärkt das Fraunhofer IWU zudem seine internationalen Kooperationen. Insbesondere die Lage im Dreiländereck bietet eine gute Basis für die Zusammenarbeit mit Universitäten und Unternehmen in Tschechien und Polen. Eine langjährige und enge Kooperation besteht mit der TU Liberec seit den Anfängen des Fraunhofer IWU in Zittau. Räumliche und fachliche Nähe sind dabei ein entscheidender Vorteil. Aktuell arbeiten die Wissenschaftler auf deutscher und tschechischer Seite gemeinsam im so genannten Internationalen Leistungszentrum für transdisziplinäre Systemforschung und Transfer (»TransTech«) an Lösungen in den Bereichen Industrie 4.0, Automatisierung, Leichtbau, Kunststofftechnik und additive Fertigung. Ein gemeinsam bei der Europäischen Union eingereichter Förder-Antrag mit dem Titel »IDm²« und einem Volumen von insgesamt ca. 36 Millionen Euro, befindet sich derzeit in der entscheidenden Auswahlrunde. Sollte sich IDm² durchsetzen, wird sich die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Zittau und Liberec nochmals deutlich intensivieren.    

Die Fraunhofer-Institute für Werkstoff- und Strahltechnik IWS sowie für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU arbeiten in ATeM (Additive Technology für Medicine and Health) mit der Fakultät Maschinenbau, dem Center for Advanced Manufacturing Technologies (CAMT) der Technischen Universität Breslau sowie den Universitätskliniken in Dresden und Leipzig an innovativen 3D-Druck Verfahren in der Medizintechnik. Das Ziel sind individuelle, auf den Patienten zugeschnittene und dabei kostengünstige Lösungen für Therapien und Behandlungsansätze.

 

Fokusreise Strukturwandel

 

Im Rahmen der »Fokusreise Strukturwandel« vom 1. bis 7. November 2022 demonstrieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der regional verankerten Institute richtungsweisende Lösungsansätze, die geeignet sind, einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit und Innovationskraft in vom Strukturwandel betroffenen Regionen zu leisten. Gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik werden die Themenfelder Versorgungssicherheit, nachhaltige Fertigungsprozesse und Agrarwirtschaft diskutiert sowie künftige Technologiepfade ermittelt.

Folgen Sie der »Fokusreise Strukturwandel« auch in den Sozialen Medien, über den LinkedIN-Kanal von Fraunhofer-Präsident Professor Reimund Neugebauer [LINK: https://www.linkedin.com/in/reimund-neugebauer/] sowie unter dem Hashtag #WeKnowChange.