Werkzeugentwicklung

Umformwerkzeuge sind eine wesentliche Grundlage für die hocheffiziente Serienfertigung komplexer Bauteile aus Halbzeugen wie Blechen, Rohren oder Profilen, da sie als geometrischer und häufig auch technologischer Formspeicher fungieren. Dem Werkzeugbau kommt dabei eine besondere Verantwortung zu, da der Werkzeugbauer neben der physischen Anfertigung des Werkzeugs auch das umformtechnische Risiko für eine qualitätsgerechte Fertigung des jeweiligen Bauteils über den gesamten Produktionszeitraum trägt.

Das Team des Fraunhofer IWU verfügt über eine langjährige Expertise für die Konzeption, Auslegung und Konstruktion unterschiedlichster Arten von klassischen Umformwerkzeugen zum Tiefziehen, Biegen, Prägen, Schneiden sowie Falzen und Bördeln, aber auch für Sonderverfahren wie Presshärten, Innenhochdruck-Umformung (temperiert und bei Raumtemperatur) oder Elektromagnet-Umformung.

Da Werkzeuge ein erhebliches Investitionsgut bei der Blechteilfertigung darstellen, spielt die Werkzeugflexibilisierung zunehmend eine entscheidende Rolle. Dabei zielt die Entwicklung auf eine partielle Auflösung des Formspeichergrades durch modulare Aktivteile oder Wechseleinsätze ab, um das Werkzeug nicht nur für ein einziges Produkt nutzen zu können. Auch die Kosten- und Ressourceneffizienz in der Werkzeugfertigung und Werkzeugnutzung rückt zunehmend in den Fokus der Anwender. Hierfür bietet das Fraunhofer IWU eine Vielzahl von Lösungen zur bedarfsgerechten Werkzeugauslegung mit Blick auf Nutzungsszenarien, Produktionsstückzahlen auf Lebenszeit, Wartungs- und Reparaturkonzepte etc.

Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung von Produktionsprozessen kommt dem Umformwerkzeug eine Schlüsselrolle zu. Das betrifft einerseits den Werkzeuganfertigungsprozess, der durch Gewährleistung einer durchgängigen digitalen Datenbasis (Schließung »Tryoutlücke«) erheblich effektiver gestaltet werden kann, anderseits die Nutzungsphase der Werkzeuge. Durch eine wirkstellennahe Erfassung von Prozessparametern können Informationen über Bauteilqualität, Verschleißzustand und Betriebsbedingungen der Werkzeuge direkt gewonnen werden. Diese Informationen ermöglichen eine Anpassung von qualitätsrelevanten Prozessparametern noch während des Umformvorganges und gewährleisten als Zielkriterium eine gleichbleibende Bauteilqualität durch Kompensation von Prozessschwankungen, was letztendlich zu einer Nullfehlerproduktion beiträgt.

Unsere Forschungsthemen

Aktivteilvorbehandlung

Das geänderte Formänderungs- und Verfestigungsvermögen neuer Blechwerkstoffe hat entscheidende Auswirkungen auf die Teilequalität, das Rückfederungsverhalten bzw. die Maßhaltigkeit und stellt daher spezielle Anforderungen an die Werkzeugauslegung. Um für das Umformen und Beschneiden von Blechformteilen aus neuen Leichtbauwerkstoffen eine akzeptable Standmenge der Werkzeuge zu ermöglichen, kommt der Wahl geeigneter Werkzeugwerkstoffe sowie dem Einsatz belastungsgerechter Beschichtungen eine besondere Bedeutung zu.

Wir haben daher in den vergangenen Jahren mit unseren Industriepartnern umfangreiche Untersuchungen zum Einsatz von Werkzeugbeschichtungen in Umform- und Schneidwerkzeugen durchgeführt und auch das Verhalten im tribologischen System berücksichtigt. Eine belastungsgerechte Schichtauslegung erfordert die Betrachtung des Gesamtsystems Blechwerkstoff – Beschichtung / Schmierstoff – Werkzeugwerk­stoff. Dies umfasst die Berücksichtigung der realen Belastungs­verhältnisse auf der Werkzeugoberfläche, die Abstimmung der Werkzeug-Finishbearbeitung auf den Beschichtungsprozess, die Beachtung des veränderten Schichtverhaltens bei der temperierten Umformung sowie die Anpassung des Schicht­systems an das jeweilige Temperaturfeld.

Beschichtungen

Unter der Voraussetzung, dass der Werkzeugwerkstoff einen ausreichenden Widerstand gegen plastische Deformation, Rissbildung, Bruch und Zerrüttung beim Umformprozess bietet, sind insbesondere der Abrasions- und Adhäsionsverschleiß kritisch für die Lebensdauer der Werkzeuge. Um dem zu begegnen, sind bei der Umformung hochfester Blechwerkstoffe für die Anwendung geeignete Verschleißschutzmaßnahmen unabdingbar und stehen im Fokus der Forschung des Fraunhofer Instituts. Auf Grund der unterschiedlichen Einsatzbedingungen und des damit verbundenen meist sehr komplexen Anforderungsprofils der Werkzeuge, werden diese an den Prozess angepasst und in enger Zusammenarbeit mit dem Projektpartner bzw. Endkunden individuelle Lösungen entwickelt.

Durch den Einsatz von Hartstoffschichten kann sowohl dem Abrasions- als auch dem Adhäsionsverschleiß begegnet werden. Etabliert sind vor allem Werkzeugbeschichtungen, die mit CVD-, PVD- und PACVD-Verfahren aufgebracht werden. Vereinzelt kommen auch noch nasschemisch aufgebrachte Schichten (Hartchrom) zum Einsatz.

Am weitesten in der Umformtechnik verbreitet sind titanbasierte (TiN, TiCN, TiC, TiAlN) und chrombasierte Hartstoffschichten (CrN, CrC, CrAlN) und deren Modifikationen sowie amorphe Kohlenstoffschichten (a-C:H, a-C:H:Me). Die höchste Belastbarkeit bei überwiegend abrasivem Verschleiß bieten nach wie vor mit thermischen CVD-Verfahren abgeschiedene titanbasierte Schichten wie TIC/TiN. Gleichartige mit PVD- oder PACVD-Verfahren aufgebrachte Hartstoffschichten weisen in der Praxis insbesondere bei hohen lokalen Lasten oft eine deutlich geringere Verschleißbeständigkeit auf. Der Vorteil der PVD- und PACVD-Verfahren liegt in den deutlich niedrigeren Beschichtungstemperaturen (< 500 °C), sodass keine Nachhärtung durch mehrere Anlassschritte der Werkzeuge erforderlich ist.

Um die Belastbarkeit von PVD- und PACVD-Schichten zu erhöhen, werden diese häufig mit Plasmanitrierbehandlungen kombiniert. Durch das Eindiffundieren von Stickstoff in den Werkzeugstahl kommt es zu einer Aufhärtung der Randzone, die zu einer besseren Stützwirkung führt, wodurch ein hoher Härtegradient vermieden und dadurch die Schichthaftung und Stützwirkung erheblich verbessert werden kann. Für die Anwendung auf Umformwerkzeugen hat sich vor allem die Kombination der beiden Verfahren in einem Prozess (Duplex-Prozess) etabliert.

Ein weiteres Verfahren mit sehr großem Potenzial stellt das Gas- und Plasmaborieren dar, mit denen sich alle Anforderungen bezüglich Härte, Verschleißbeständigkeit, Belastbarkeit, Temperaturbeständigkeit und vor allem Adhäsionsverhalten erfüllen lassen. Insbesondere das Verhalten der Werkzeugoberfläche gegenüber dem stark adhäsiv wirkenden Aluminium kann im Hinblick auf den Kontakt mit der AlSi-Schicht auf den für das Presshärten verwendeten Blechwerkstoffen (22MnB5) deutlich verbessert werden.

Kryogene Kühlung

Konventionelle Wärmebehandlungsverfahren für Stahlwerkstoffe erfolgen bei höheren Temperaturen und umfassen in Abhängigkeit der Legierung und dem gewünschten Eigenschaftsprofil i.d.R. die Schritte Härten und Anlassen. Um die Lebensdauer von Werkzeugen insbesondere für hochbeanspruchte Bearbeitungsoperationen weiter zu erhöhen, wurde in den letzten Jahren in verschiedenen Forschungsprojekten der Einfluss von Tieftemperaturbehandlungen untersucht. In Abhängigkeit der zum Einsatz kommenden Werkzeugstähle und der Prozessauslegung können dabei außergewöhnliche werkstofftechnische Effekte erzielt werden. Deutliche Verbesserungen lassen sich u. a. hinsichtlich der Härte, Kerbschlagzähigkeit, Restaustenitgehalt, Eigenspannungen, Verschleiß- und Ermüdungsfestigkeit sowie Formbeständigkeit erzielen.

Um das volle Werkstoffpotenzial auszuschöpfen, haben wir in den letzten Jahren den Einfluss von innovativen zyklischen Kryobehandlungen im Bereich von -180 °C bis +200 °C für eine Vielzahl an Werkzeugwerkstoffen, insbesondere in Kombination mit Randschichtbehandlungen und verschiedenen Beschichtungssystemen, untersucht. Die am Fraunhofer IWU Chemnitz vorhandene Tieftemperaturtechnik kann dabei einen extremen Temperaturbereich von -180 °C bis +200 °C abdecken. Durch das entsprechende Kammervolumen lassen sich auch größere oder mehrere Werkzeuge bzw. Bauteile behandeln. In der Folge dieser kryogenen Wärmebehandlung von Werkzeugstählen kann die Lebensdauer deutlich (bis zu 100 %) erhöht werden bzw.  können Eigenschaften wie eine verbesserte Korrosionsbeständigkeit erreicht werden.

Modulare Werkzeuge

Die vom Kunden gewünschte Modellvielfalt führt u. a. in der Automobilindustrie zu anteilmäßig hohen Werkzeugkosten, da gleich­zeitig die Stückzahl der gefertigten Derivate sinkt. In der Regel unterscheiden sich die betreffenden Bauteile nur in Details, bei einem modularen Werkzeugaufbau müssten daher nur die betreffenden Segmente gewechselt werden. Ein am Fraunhofer IWU entwickeltes Werkzeugbasiskonzept ermöglicht kurze Wech­selzeiten zwischen zwei oder mehreren Geometrien bei gleich­zeitiger hoher Bauteilgenauigkeit und Reproduzierbarkeit.

Sensorik und Aktorik

Die Überwachung des Fertigungsprozesses ermöglicht sowohl beim Tryout als auch in der Anlaufphase und im Serienprozess eine deutliche Reduzierung von Fehlerteilen, da diese häufig in den schleichenden Änderungen der Werkstoffkennwerte innerhalb eines Coils bzw. einer Charge zu suchen sind. Durch geeignete Sensorik können nahezu alle Fertigungsstufen überwacht werden; Auswertealgorithmen erzeugen bei signifikanten Abweichungen vom optimalen Zustand Korrekturwerte.

Durch Nutzung einer werkzeugintegrierten Aktorik (z. B. Piezoelementen) werden automatisch geringfügige Änderungen der Prozessparameter erzeugt, die eine gleichbleibende Bauteilqualität über die gesamte Fertigung garantieren.

Unser Leistungsangebot

  • Entwicklung neuer Werkzeugkonzepte zur Herstellung komplexer Umformteile (im Feinstblechbereich bis zu Blechdicken von > 10 mm)
  • Konstruktion von Werkzeugen sowohl für die Prototypen- und Einzelfertigung als auch für den Serienbe­trieb
  • Berücksichtigung neuester Trends in der Werkzeugwerkstoffentwick­lung und Anlagentechnik
  • Realisierung der Werkzeuge und deren Abmusterung