In den vergangenen 15 Jahren wurde im werkstoffwissenschaftlichen Umfeld eine Wärmebehandlungsstrategie erforscht, die es erlaubt, ultrahochfeste niedriglegierte Stähle mit vergleichsweise sehr hoher Umformbarkeit zu erzeugen. Mit Hilfe der »Quenching- and Partitioning« Q&P-Wärmebehandungsstrategie werden niedriglegierte Vergütungsstähle durch die Erzeugung von Mikrostrukturen, die eine Mischung aus Martensit und Restaustenit enthalten, so optimiert, dass außergewöhnliche Eigenschaftskombinationen eingestellt werden. Bei den Q&P-Stählen kann grundsätzlich auf kostenintensive Legierungselemente verzichtet werden, lediglich Kohlenstoff und ein ausreichender Gehalt an Silizium (ca. 1 - 2,5 Gew.-%) sind Voraussetzung dafür, dass diese Wärmebehandlungsstrategie zu den gewünschten Werkstoffeigenschaften führt. Silizium verhindert dabei effektiv die Bildung von Eisenkarbiden, sodass der vorhandene Kohlenstoff für die Stabilisierung des Restaustenits zur Verfügung steht. Der Herstellungsprozess beginnt typischerweise mit dem Austenitisieren, gefolgt von einem Abschrecken (Quenching) auf eine Temperatur zwischen der Martensit-Starttemperatur (Ms) und der Martensit-Finishtemperatur Mf des untersuchten Stahls. Diese Abschrecktemperatur (etwa 200 °C) wirkt sich direkt auf den Anteil des Restaustenits aus. Die anschließende, dem klassischen Anlassen ähnliche, Wärmebehandlung beinhaltet die diffusionskontrollierte Umverteilung (Partitioning) des Kohlenstoffs von übersättigtem Martensit hin zum Restaustenit, was zu seiner Stabilisierung führt. Die damit maßgeschneidert erzeugbaren Gefüge, bestehend aus hartem Martensit sowie duktilem, stabilisierten Restaustenit sind die Grundlage für die vorteilhafte Eigenschaftskombination von extremer Festigkeit und hoher Duktilität. Diese bietet enormes Potenzial für die wirtschaftliche Herstellung komplexer Umformteile aus ultrahochfesten Stählen. Zusammenfassend ist die hohe Attraktivität dieser Werkstoffe gegeben durch:
- die exzellenten mechanischen Eigenschaften der hergestellten Bauteile,
- die Vermeidung kostenintensiver Legierungselemente und
- die uneingeschränkte Möglichkeit der Verarbeitung mit bestehender Anlagentechnik ohne zusätzlichen Investmentbedarf.
Damit sind die wesentlichen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Technologietransfer in die industrielle Praxis gegeben. Am Fraunhofer IWU werden verschiedene, industriell umsetzbare Prozessrouten und -strategien zur umformenden Herstellung komplexer Bauteile aus ultrahochfesten niedriglegierten Stählen für Blech- und Rohrhalbzeuge untersucht. Das neuartige Q&P-Wärmebehandlungskonzept greift dabei auf die bereits für Großserien etablierten Prozessrouten zum Presshärten von Mangan-Bor-Vergütungsstählen zurück und adaptiert diese für Q&P-Stähle.