Formgedächtnistechnik - Prüfstände

Prüfung von FGL-Aktoranordnungen mit hohem Reifegrad

Um die gewünschten Produkteigenschaften zuverlässig sicherzustellen, sind neben werkstofftechnischen Untersuchungen auch geeignete Prüfverfahren für höhere Reifegrade erforderlich. Das Fraunhofer IWU verfügt hierfür über umfassende Expertise im Aufbau und Betrieb entsprechender Prüfstände. Dies reicht von der Charakterisierung von Halbzeugen über die Nachbildung von Aktor- und Sensorkonzepten bis hin zur Prüfung kompletter Systeme gemäß den Lastenheft-Spezifikationen.

Forschungsschwerpunkte

FGL-Aktoren und -Sensoren werden von zahlreichen Einflussfaktoren geprägt, wie etwa der nutzbaren Spannung und Dehnung, zyklischen thermischen und mechanischen Belastungen, unterschiedlichen Umgebungseinflüssen sowie der Ansteuerleistung. Die komplexen Wechselwirkungen dieser Faktoren führen oft zu einem erheblichen experimentellen Aufwand bei der messtechnischen Untersuchung, der nicht immer gerechtfertigt ist. 

Daher besteht bei Entwicklern und Herstellern von FGL-Halbzeugen und -Systemen ein klarer Bedarf an speziell angepassten Prüfständen. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihres Aufbaus, der eingesetzten Prüftechnologien und der untersuchten Einflussgrößen.

Das Fraunhofer IWU verfügt über eine breite Palette solcher Prüfstände zur messtechnischen Analyse von FGL-Halbzeugen und Aktoren. Das Spektrum reicht

  • von Mikrosystemen mit Kräften im Milli-Newton-Bereich,
  • über Kleinaktoren und Federn im Newton-Bereich
  • bis hin zu Hochlastaktoren im Kilo-Newton-Bereich.

Zyklische Prüfstände ermöglichen darüber hinaus umfassende Tests zur Qualität, Zuverlässigkeit und Lebensdauer – sowohl an Drahthalbzeugen als auch an konkreten Aktorkonfigurationen inklusive der zugehörigen Ansteuerelektronik.

Unsere Prüfstände im Detail

Funktionale Ermüdung

Drähte aus Formgedächtnislegierungen FGL-Drähte) zeigen ein deutliches Einlauf- bzw. Degradationsverhalten, wodurch sich ihre funktionalen Eigenschaften im Betrieb verändern. Für die gezielte Auslegung von Aktoren ist es daher entscheidend, dieses Verhalten zu kennen und in die Auslegung einzubeziehen.

Am Fraunhofer IWU wurde hierfür ein spezieller Versuchsstand samt Methodik entwickelt, mit dem sich die funktionale Degradation von Aktordrähten charakterisieren und auswerten lässt. Der Prüfstand verfügt über drei Spuren, auf denen Aktordrähte mit individuell einstellbaren Last- und Aktivierungsparametern zyklisch beansprucht werden können.

Die Lastparameter umfassen:

  • Stellweg und Stellkraft (respektive Dehnung und mechanische Spannung)
  • Zyklenzahl

Die Stellkraft wird über speziell angefertigte Gewichte auf die Drähte aufgebracht, um eine konstante Last zu simulieren. Der Stellweg bzw. die Dehnung lässt sich individuell einstellen und wird mithilfe eines Laserwegmesssystems erfasst und aufgezeichnet.

Die Aktivierung der Drähte erfolgt über zeitlich gesteuerte Stromsignale, die auf das jeweilige Drahthalbzeug angepasst werden. Zusätzlich ermöglicht externe Messtechnik die Aufzeichnung des Drahtwiderstands während des Zyklierens sowie die Überwachung der Umgebungstemperatur.

Ziel ist es, mit möglichst geringem experimentellem Aufwand aussagekräftige Messdaten zu gewinnen. Diese Daten werden anschließend mithilfe mathematischer Regressionsmodelle genähert, um die funktionale Degradation im Arbeitsraum vorherzusagen und die Drahtaktoren zielgerichtet auszulegen.

Leistungsfähigkeit und Messgenauigkeit

  • bis zu 3 Aktordrähte individuell zyklierbar (bis zu 200 mm Länge)
  • Messung der zyklischen Veränderung von
  • Stellweg
  • Widerstand in Hoch- und Niedertemperaturphase
  • Umgebungstemperatur

Variable Lastsimulation

  • Konstantlast durch speziell gefertigte Gewichte auf individuellen Stufen
  • Einstellung des Stellwegs auf 0,125 mm genau
  • Durchführung von Kurz- und Langzeitversuchen

Variable Aktivierungsparameter

  • Konstantstromversorgung zur zeitlich geregelten Aktivierung der Drähte 
Strukturelle Ermüdung

Neben der funktionalen Ermüdung stellt die strukturelle Ermüdung – also die mechanische Schädigung des FGL-Aktors – einen weiteren zentralen Auslegungsparameter dar. Besonders bei elektrisch aktivierten und auf Zug belasteten FGL-Drähten sind die mechanische Last und die eingesetzte Dehnung entscheidend, um hohe Zyklenzahlen zu erreichen.

Am Fraunhofer IWU steht ein spezieller Prüfstand zur Verfügung, mit dem FGL-Drahthalbzeuge unter verschiedenen Belastungsszenarien zyklisch bis zum Bruch belastet werden können. Dieser Versuchsstand ermöglicht

  • die realitätsnahe Nachbildung und Validierung kompletter Aktorsysteme inklusive Ansteuerelektronik
  • sowie Grundlagenuntersuchungen zu Belastungsgrenzen von Drahthalbzeugen oder zum Einfluss von Chargenschwankungen.

Lebensdaueranalysen

  • Untersuchung des Ermüdungsverhalten von Aktordrähten bis zum Versagen
  • Ermittlung der maximalen Zyklenzahl in Abhängigkeit parametrierbarer elektrischer und mechanischer Lastszenarien

Leistungsfähigkeit und Messgenauigkeit

  • Laseroptische Wegsensoren zum Erfassen der Stellwege
  • Messbereich: 10 mm, Messauflösung: 1 µm
  • Stromgeregelte PWM-Module zum Einstellen von Lastströmen bis 2 A

Flexible Ansteuerung

  • 12 unabhängige Spuren zur Analyse verschiedener Drahthalbzeuge und Lastszenarien
  • Grafische Oberfläche zur Identifikation der Versuchsparameter, Parametrierung der Drahtspuren sowie Live-Datenvisualisierung und -speicherung
FGL-Feder-Prüfstand

Federn aus Formgedächtnislegierung (FGL-Federn) stellen neben elektrisch aktivierten Drähten eine weitere Klasse von Aktoren dar, die sich bereits seit Jahrzehnten in zahlreichen Anwendungen bewährt haben. Im Unterschied zu Drahtaktoren werden FGL-Federn in der Regel nicht elektrisch, sondern durch das umgebende Medium – wie Luft, Wasser oder Öl – aktiviert.

Die zyklische Prüfung solcher Federn gestaltet sich jedoch aufwendig, da die Aktivierungs- und Deaktivierungszeiten vergleichsweise lang sind. Mit unserem FGL-Feder-Prüfstand sind aufgrund der vollständig automatisierten Versuchsführung auch diese Untersuchungen möglich.

Leistungsfähigkeit und Messgenauigkeit

  • Aktorlänge von 100 mm (Durchmesser 2 - 40 mm) mit einem maximalen Hub Messbereich (Stellweg des Aktors) von 50 mm, Genauigkeitsklasse 1 %, Auflösung Hub 0,5 mm
  • Kraft max. 500 N, Kraftmessbereich 500 N, Genauigkeitsklasse 1 %, Auflösung Kraft 0,5 N
  • Temperierung 20 – 150°C
  • Vollständig automatisierte Messung und Datenaufnahme 

Betriebsarten/Messmethoden

  • Freier Hub, Erfassung einer Wegkennlinie ohne Belastung
  • Blockierkraft, Ermittlung der statischen Kraftkennlinie für verschiedene Positionen
  • Spannungs-Dehnungs-Kennlinie (Austenit und Martensit) mittels definierter Belastung
  • Spannungs-Dehnungs-Kennlinie über die Zeit im zyklischen Test
  • Kraft und Hub über die Zeit beim Nachfahren gesteuerter Temperaturkennlinien
FGL-Hochlastprüfstand

Die leistungsstärkste Klasse von FGL-Aktoren in Bezug auf die erzeugbare Kraft sind die sogenannten FGL-Hochlastaktoren. Diese Aktoren zeichnen sich durch eine große wirksame Aktorfläche aus, um hohe Kräfte zu realisieren. Gleichzeitig verfügen sie über eine große Mantelfläche und eine optimale thermische Gestaltung, was ihre Dynamik deutlich verbessert.

Zur Untersuchung dieser Aktoren steht am Fraunhofer IWU ein Hochlastprüfstand zur Verfügung. Dieser zeichnet sich durch eine hohe Steifigkeit und präzise Messtechnik aus. Er ermöglicht vollautomatisierte messtechnische Untersuchungen.

Leistungsfähigkeit und Messgenauigkeit

  • Erfassung von Aktorkräften bis 20 kN
  • Messung von Stellwegen im einstelligen Mikrometerbereich

Flexible Ansteuerung

  • Direkte Stromversorgung für Aktorik
  • Indirekte Temperierung durch Auflageflächen zur Simulation von Temperaturwechselwirkungen
  • Fluid-Temperierung für dynamische thermische Untersuchungen

Variable Lastsimulation

  • Umsetzung verschiedener Lastszenarien (Kraftfrei, Konstantlast, Blockfahrt)

Langzeitanalysen

  • Untersuchung von Verschleiß- und Degradationsverhalten
  • Dauerlastuntersuchungen