Carbon, Systems and Mobility Solutions SAXONY

Carbonfaser
Verarbeitung von Carbonfasern zu textilen Halbzeugen

Die Eigenschaften von Carbonfaser sind so vielfältig wie ihre Potentiale. Durch Anwendung von Carbonfasern in multifunktionalen Leichtbaustrukturen entsteht, etwa mittels daraus aufgebauten Windkraftanlagen, die Basis für eine CO2-freie Wirtschaft. Bei Fahrzeugen aller Art lässt sich mit carbonfaserverstärkten Bauteilen eine Gewichtreduktion vornehmen und so eine höhere Reichweite verwirklichen und wertvolle Energie einsparen. Während die Nutzung von Carbonfasern als eine Zukunftstechnologie bereits feststeht, basiert deren industrielle Herstellung bislang vor allem auf petrochemischen Basisstoffen und energieintensiven Prozessen, was die Carbonfaser damit zu einem besonderen Werkstoff mit hoher bioökonomischer Bedeutung unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes und generell der Nachhaltigkeit macht.

 

Ziele

Die Bewältigung des anthropogenen Klimawandels ist eine globale Herausforderung. Der ausgerufene europäische Grüne Deal, bei dem mithilfe neuer Wachstumsstrategien Wege zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft geebnet werden sollen, liefert einen Fahrplan hin zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft bis 2050 und sieht eine Entkopplung der Wirtschaft von der Ressourcennutzung vor. Auch die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, hat sich mit der Energiewende ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Durch die ambivalente Umstellung der Energieversorgung von nuklearen und fossilen Brennstoffen hin zu regenerativen Energien vollzieht Deutschland einen Transformationsprozess, der wesentliche Veränderungen im Energiebereich, in der Gesellschaft und der Wirtschaft fordert. Neben dem Kohleausstieg, der zu einer der anspruchsvollsten Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte gehört, kann dafür zudem die Verkehrswende einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erreichung der umweltpolitischen Ziele leisten. Demgegenüber steht jedoch eine über 135 Jahre währende evolutionäre Entwicklung im Automobilbau, der in Form eines radikalen Richtungswechsels, angestoßen durch Politik und Gesellschaft, zum jetzigen Zeitpunkt, mit revolutionären Ansätzen einem Paradigmenwechsel gleicht und die Industrie vor eine Mammutaufgabe stellt. Alternative Antriebe mit Batterien und Wasserstoff als Energieträger liefern bereits vielversprechende Lösungsansätze und sind technisch in ersten Serienfahrzeugen umgesetzt. Ein gleichwertiger Ansatz zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen adressiert die Reduzierung bewegter Massen. Allein 10 % Gewichtsersparnis aller bewegten Massen entsprechen etwa 100 Mio. t weniger CO2-Emissionen, was über 15 % geringere Emissionen im Vergleich zu 2019 in Deutschland bedeuten würden.

Die grundsätzliche Machbarkeit beweisen zum jetzigen Zeitpunkt bereits leichte Materialien auf Basis von Carbonfasern, die enorme Gewichtsvorteile von 30 bis 50 Prozent gegenüber klassischen Bauteilen erreichen, die ausschließlich aus Aluminium bzw. Stahl gefertigt sind. Dennoch bleibt Carbonfasern, insbesondere in der Automobilbranche, der Weg für großvolumige Strukturbauteile aufgrund der hohen Kosten und des diskreten Eigenschaftsportfolios bisher verwehrt. Deren petrochemische Basis adressiert zudem einen weiteren negativen Aspekt mit Blick auf die CO2-Billanz.

Um dem zu begegnen hat der Freistaat Sachsen das Ziel, dass die TU Chemnitz in Verbindung mit der wissenschaftlichen Kompetenz des Exzellenzclusters MERGE, des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU sowie des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP und in Zusammenarbeit mit der LEAG am Kraftwerkstandort Boxberg in den kommenden Jahren Hightech-Produkte auf Basis von „grünen“ und produktspezifischen Carbonfasern entwickeln, die später mithilfe wirtschaftlicher Einrichtungen vertrieben werden können. Das unterstreicht ein am 16. September 2020 unterzeichneter »Letter of Intent« zwischen dem Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung, dem Exzellenzcluster MERGE der TU Chemnitz, den Fraunhofer-Instituten IWU und IAP und der Lausitz Energie Bergbau AG.

Im einem ersten Schritt soll durch das Fraunhofer-Konsortium nach dem Vorbild von Carbon Nexus/Australien eine vollausgestattete Forschungs-Pilotlinie zur Herstellung von Carbonfasern den regionalen Konditionen entsprechend konzipiert, aufgebaut und betrieben werden, um neuartige Fertigungsverfahren und Methoden des Energiemanagements zu entwickeln und unter praxisnahen Bedingungen zu erproben. Ausgehend von alternativen Rohstoffen (wie bspw. Cellulose, Polyolefine, Algen und Teer) in Kombination mit innovativen Spinn- und Carbonisierungstechnologien als auch erneuerbaren Energien und Energie-Managementsystemen entstehen so maßgeschneiderte und klimaverträgliche Materialien neuster Generation. In weiteren Schritten ist geplant, die Pilotlinie um textilbildende und kunststofftechnische Fertigungsmodule sowie automatisierte Schnittstellen für die energieeffiziente Bauteilherstellung zu ergänzen und zu komplettieren. Dieses Vorhaben ist einzigartig in ganz Europa und bildet mit den nachgeschalteten textilbildenden Prozessen und Produktionstechniken eine weltweit bisher nicht existente Forschungslandschaft als Nukleus für die Ansiedlung weiterer Unternehmen.

 

Fördermaßnahme: InnoCarbEnergy-Machbarkeitsstudie

Um den Paradigmenwechsel auf eine produktspezifische Precursor- und Carbonfaserherstellung aus modifizierten PAN und nachwachsenden Rohstoffen in Kombination mit erneuerbarer Energie vorzunehmen, kooperieren das Exzellenzcluster MERGE der TU Chemnitz, das Fraunhofer IWU und das Fraunhofer IAP im Rahmen einer Machbarkeitsstudie. Gemeinsam mit Stakeholdern aus Politik und Wirtschaft wird das Potenzial einer zentralen, vollausgestatteten Forschungs- und Pilotanlage diskutiert, die von der Herstellung von Precursormaterialien über die Stabilisierung und Carbonisierung bis hin zur Nachbehandlung der Carbonfasern im Pilotlinienmaßstab reicht.

Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie werden neben technischen und wirtschaftlichen Fragestellungen auch Standorte innerhalb der Gemeinde Boxberg/Oberlausitz, insbesondere am Kraftwerksstandort Boxberg, analysiert, die für den Aufbau, den Betrieb und den Erhalt einer Forschungseinrichtung sowie die Ansiedlung auch industrieller Partner besonders geeignet sind. Dieser Prozess erfolgt in Zusammenarbeit mit der Lausitz Energie Bergbau AG und der Lausitz Energie Kraftwerke AG. Die LEAG plant eine Begleitung und Unterstützung des Vorhabens. In Frage kommen insbesondere folgende Felder einer möglichen Zusammenarbeit: Flächenbereitstellung, Erneuerbare Energie, Speichertechnologien, ggf. Wasserstoff-Erzeugung, innovatives Energiemanagement und Medienbereitstellung (z.B. Wärme oder Prozessdampf).   

Mit der gemeinsamen Vision einer klimafreundlichen Transformation der Region von der Kohlewirtschaft zu einer selbsttragenden Bioökonomie sollen zu diesem Zweck nachhaltige Technologiepfade zur Carbonfaserherstellung innerhalb des Konsortiums diskutiert und die notwendige Infrastruktur für den Betrieb der Forschungs- und Pilotanlagen geplant werden. Es ist das Ziel, die »InnoCarbEnergy« auf dieser Grundlage dauerhaft und selbstständig in der nationalen und internationalen Forschungslandschaft zu positionieren.

Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Carbonfasern und stetig steigenden Bedarfen an leichten energiesparenden Bauteilen, wird der geplante Forschungsbetrieb einen weiteren globalen Wettbewerbsvorteil für den hiesigen Industriestandort schaffen. Dafür sind auch perspektivisch durch eine enge Kooperation mit regionalen Unternehmen, Neugründungen sowie Niederlassungen carbonfaserverstärkte Leichtbaustrukturen und -systeme zu entwickeln, die in mobilen Anwendungen genutzt werden – so etwa beim Automobil-, Schiff-, Schienenfahrzeug- und Anlagenbau oder in der Luft- und Raumfahrt. 

Diese Maßnahme wird finanziert aus Bundesmitteln des Strukturstärkungsgesetzes und mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.