»Das Prinzip der neuen Technologie ähnelt der des Tintenstrahl-Druckers, den viele von zu Hause kennen«, erklärt André Bucht, Wissenschaftler am Fraunhofer IWU. »Nur dass wir statt Tinte spezielle Pasten einsetzen, die sich nach dem Trocknen je nach Zusammensetzung als Leiterbahn oder als Sensor nutzen lassen.« Mit einem so genannten Jet-Dispenser, einer speziellen Düse, werden diese Pasten entweder als Strang oder als Punkte auf dem Bauteil abgelegt. Und noch eins ist anders als beim heimischen Drucker: Ein Roboter führt die Düse über das Werkstück. Auf diese Weise wird die Variantenvielfalt handhabbar. »Der Einsatz des Roboters ist bisher einzigartig«, so André Bucht. »Denn dank ihm ist es erstmals möglich, nicht nur Flächen, sondern auch große dreidimensionale Bauteile schnell, effizient und völlig individuell mit Leitungen, Sensoren oder Tasten zu bedrucken.«
Einzigartig ist auch, dass die Pasten nach dem Auftragen sofort mit einem vom Projektpartner Fraunhofer ILT entwickelten Laser getrocknet werden. »Das beschleunigt den Prozess so stark, dass er je nach Aufgabe den schnellen Takt einhalten kann, den die Automobilindustrie vorgibt«, erläutert Wissenschaftler Bucht. Zudem sind die aufgetragenen Strukturen so robust, dass sie sich zusammen mit den Werkstücken im Presswerk umformen lassen, ohne unter den starken Kräften zu leiden.
Wie leistungsfähig der neue Prozess ist, zeigen die Wissenschaftler auf der Hannover Messe 2019 u.a. anhand eines Bauteils, das mit Hilfe der neuen Drucktechnologie als Bedienelement funktionalisiert wurde. Einsetzen lässt es sich beispielsweise in Autotüren für die Bedienung des elektrischen Fensterhebers.
Hochleistungsbearbeitung durch Ultraschallunterstützung – »PermaVib«
Ein weiteres Highlight intelligenter Produktionstechnik zeigen die Adaptronik-Spezialisten des Fraunhofer IWU mit »PermaVib«, einer Gruppe von Schwingsystemen für Bohr- und Fräswerkzeuge. Diese versetzen die Werkzeuge mithilfe von Ultraschall so in Schwingung, dass die Bearbeitung von Metallen wesentlich erleichtert wird. »Mit PermaVib lässt sich der Werkzeugverschleiß um bis zu 50 Prozent reduzieren. Zudem wird dafür gesorgt, dass bis zu 40 Prozent weniger Kraft für die Bearbeitung aufgebracht werden müssen. Beides spart Geld«, so André Bucht. Der Clou: bestehende Werkzeugmaschinen lassen sich ohne großen Aufwand mit den Systemen nachrüsten, da sie als Modul in beliebige Bearbeitungszentren integriert werden können.
Werkzeugmaschinen mit Tastsinn – SensoTool
Das gleiche gilt für SensoTool, ein intelligentes Werkzeug, das Werkzeugmaschinen gleichsam einen Tastsinn verleiht. Für den Menschen ist dieser überlebensnotwendig, denn er ermöglicht es ihm, gezielt mit seiner Umgebung zu interagieren. »Ähnlich komplex wie die Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt ist die Wechselwirkung moderner Hochleistungsprozesse mit Werkzeugmaschinen«, sagt André Bucht. »Auf einen Tastsinn mussten Werkzeugmaschinen bislang verzichten. Mit SensoTool ändern wir das.«
SensoTool erfasst Temperaturen und Kräfte dort, wo sie auftreten und erlaubt auf diese Weise eine direkte Prozessüberwachung und -anpassung. »Kern des Systems ist ein Sensorelement mit piezoelektrischen Schichten, das direkt hinter der Wendeschneidplatte am Werkzeugträger positioniert ist«, so André Bucht. Die zu messende Kraft wird in eine Ladung gewandelt, die eine integrierte Elektronik anschließend vorverarbeitet. Die gewonnenen Daten überträgt das Werkzeug drahtlos an die Maschine. Somit ermöglicht das Sensorelement die prozessnahe Messung hochdynamischer Kräfte von wenigen Newton bis zu drei Kilonewton. Auf diese Weise kann SensoTool die aktuell wirkenden Schnittkräfte, die Temperatur an der Werkzeugschneide aber auch Schwingungen des rotierenden Werkzeugs nahe der Wirkstelle erfassen.
Paradigmenwechsel in der Prozessüberwachung
Bisher war es nicht möglich, Kenngrößen von Zerspanungsprozessen direkt im Prozess in ausreichender Qualität und Quantität zu erfassen. In der Zerspanung dominieren zur Prozessüberwachung bisher sensorlose Systeme. Die Kennwertermittlung erfolgt dabei nicht direkt in den kritischen Belastungszonen des Werkzeugs. Vielmehr werden Messgrößen wie das Drehmoment von Spindel und Vorschubachsen ausgewertet. Dadurch lassen sich oft nur sehr schwerwiegende Ereignisse wie ein Werkzeugbruch detektieren. Eine Echtzeit-Nachregelung des Prozesses ist nicht möglich. Bisher kommen sensorische Lösungen wegen hoher Kosten und eines großen Integrationsaufwands lediglich in Laboren zum Einsatz.
»Piezokeramische Schichtsysteme direkt auf rotierenden Werkzeugen bedeuten hier einen Paradigmenwechsel«, ist André Bucht überzeugt. »Denn mit SensoTool können wir komplexe Prozessgrößen nahe der Wirkstelle erfassen und drahtlos an eine übergeordnete Steuerung übergeben. So entstehen intelligente Produktionsanlagen, die auf kleinste Abweichungen zielsicher reagieren. Dadurch ist eine stabile und optimale Prozessführung für eine energie- und ressourceneffiziente Fertigung gewährleistet.«
Notwendig sind solche Prozessanpassungen aufgrund immer höherer Anforderungen an Qualität und Produktivität moderner Fertigungssysteme. Zudem kommen immer öfter schwer zerspanbare Werkstoffe wie Kohlefaserverbunde oder Titan zum Einsatz. Eine sichere Fertigung erfordert deshalb zunehmend eine sehr exakte Einstellung aller relevanten Parameter. Schon geringe Abweichungen führen zum Verlassen des stabilen Prozessfensters. SensoTool erkennt diese Abweichungen frühzeitig, und die Maschine kann sich den veränderten Bedingungen anpassen.
Highspeed-3D-Druck und intuitive Mensch-Roboter-Kooperation
Die schnelle Anpassung einer Maschine an sich ändernde Bedingungen steht auch in Halle 2, Stand C28, im Fokus. Hier ist es ein Industrieroboter, der die Fähigkeit besitzt, sich auf unterschiedliche menschliche Gegenüber einzustellen und der sich per Gesten steuern lässt. Wie dies funktioniert, können Besucher testen, indem sie vor Ort selbst mit einem Roboter in direkte Interaktion treten.
Ein absolutes Highlight der intelligenten und effizienten Produktion präsentieren die Wissenschaftler des Fraunhofer IWU auf dem Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 2, Stand C22. Im Mittelpunkt steht hier der ultraschnelle 3D-Druck mit SEAM-HEX. Das Verfahren und System ist in der Lage, Kunststoffbauteile acht Mal schneller und 200 Mal preiswerter zu drucken als vergleichbare Anwendungen.
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